Heute präsentieren wir euch einen neuen Teil unserer Interviewreihe “Ask the Pro”. Diesmal mit Frederic Grandt, der sich als Porträt-Fotograf einen Namen machen möchte. Die Voraussetzungen dafür sind gut, wie ihr gleich lesen werdet. Unter anderem hat uns der Kieler verraten, warum Technik in der Fotografie eigentlich Nebensache ist und warum 35 mm für ihn die perfekte Brennweite darstellt.
Fotografierst du hauptberuflich oder nur nebenbei?
Aktuell mache ich es neben meinem Hauptjob als Verkäufer, wo auch alles angefangen hat mit der Fotografie. Weil ich mich schon seit vielen Jahren mit Kameras und dem Drum und Dran beschäftige und sie verkaufe. Irgendwann meinte ein Stammkunde zu mir: „Komm Fred, du musst auch mal mehr fotografieren, du musst was daraus machen, du hast auf jeden Fall coole Ideen.“
Und da habe ich mir eine Kamera gekauft. Ja, dank dieses Stammkunden. Ich mache das jetzt seit April 2020, also wirklich genau in der Corona-Krise habe ich mein Nebengewerbe angemeldet und gestartet. Ich bin sehr zufrieden, diese Entscheidung getroffen zu haben. Egal, ob nun Corona da ist oder nicht, ich bin froh, gestartet zu haben und für euch fotografieren zu können.
Was macht dir am meisten Spaß bei der Arbeit?
Am meisten Spaß macht einfach der Umgang mit den Menschen vor der Kamera. Diese Menschen kennenzulernen und zu sehen, was für verschiedene Persönlichkeiten der Mensch doch einfach hat und wie man das Ganze mit einem Bild festhalten kann.
Und wenn die Person dann letztendlich das Bild sieht und sich selber in diesem Bild wiedersieht und sagt, „das bin ich“, ist das wirklich der schönste Moment an meiner Arbeit.
Wie bereitest du dich auf ein Shooting vor?
Lustig, dass diese Frage kommt. Ich habe das erst kürzlich in einem YouTube Video beantwortet. Je nachdem, ob es ein spontanes oder geplantes Shooting ist, kläre ich zuerst, was die Person denn für Fotos haben möchte. Je nach Location schaue ich, wo man hingehen kann.
Wälder kenne ich schon bestimmte, die ich mir dann aussuche, in denen es sich besonders gut arbeiten lässt. Strände gibt es auch spezielle, je nachdem, ob die Person etwas Besonderes haben möchte oder nicht.
Wenn die Person die Location vorgibt, dann schaue ich mir auf Google Maps die Location und deren Umgebung an. Was kann man zum Beispiel sonst noch mitnehmen? Was macht diese Location besonders aus? Dann schaue ich, was diese Person für bestimmte Vorlieben hat. Ist es ein Pärchen Shooting, ein Einzelshooting, ist es ein Gruppenshooting und was schwebt ihr vor?
Dann suche ich Inspiration bei Pinterest. Eine gute Plattform, um einfach Ideen zu finden, was gemacht werden kann. Ich habe natürlich schon viel in meinem Kopf, aber letztendlich, kann man nie genug wissen. Und deswegen schaue ich immer wieder bei Pinterest rein und erstelle auch schon ein Moodboard, um den Leuten vor Ort zeigen zu können, was ich mir vorgestellt habe.
Auf einem Tablet oder Smartphone zeige ich [das Moodboard] und dann wird davon quasi abgeleitet. Die grobe Idee ist dann da und wird umgesetzt. Wie es am Schluss aussieht, das kann ganz verschieden sein.
Was ist für dich das Wichtigste beim Shooting?
Das Wichtigste bei einem Shooting ist, dass die Person sich wirklich wohlfühlt. Sie soll sich nicht unter Druck gesetzt fühlen, denn es soll wirklich ein Erlebnis für sie werden. Die Person soll nachträglich sagen: „Ich stand gern vor deiner Kamera. Es fühlte sich nicht an wie ein Shooting, es war wirklich ein Erlebnis“.
Bei mir geht es primär nicht um die Bilder, sondern darum, wie sich die Person vor der Kamera fühlt. Die Bilder, die nachher rauskommen, wenn sich die Person wohlgefühlt hat, sind dann sowieso alle eine Bombe.
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Was hast du neben der Kamera immer dabei?
Immer? Nichts. Ich habe wirklich meistens nur meine Kamera dabei und ein bzw. zwei Objektive. Ich bin da sehr minimalistisch. Ein Putztuch noch, wenn man es ganz genau nehmen will. Ansonsten immer meine gute Laune. Es geht meiner Meinung nach bei einem Shooting nichts über gute Laune.
Ich habe gerne auch mal einen Reflektor oder einen Blitz dabei, aber nicht immer. Es kommt wirklich auf die Situation an. Persönlich bin ich eher der „available light“-Fotograf, wie man so schön sagt. Also einer, der mit natürlichem Licht arbeitet. Dann bin ich im „flow“. Dann ist da nicht dieses typische „ok, wir gehen mal weiter“, ich schleppe den Blitz mit oder „oh cool, das ist eine geile Location, das Licht fällt gerade gut, ich stelle mal kurz den Blitz auf, stelle dich mal bitte hin…“.
Klar, die Ergebnisse, die mit Blitz entstehen, sind ohne Zweifel geil, aber so arbeite ich persönlich nicht. Deswegen, Kamera, ein Objektiv, maximal ein zweites. Im Parkhaus zum Beispiel ist ein Blitz mit dabei, denn da hast du manchmal nicht genug Licht.
Wie lockere ich die Stimmung auf, wenn es ungewohnt oder verkrampft wird?
Es ist immer situationsabhängig. Es kommt auf die Person an, die letztendlich vor meiner Kamera steht. Ich versuche aber, die Situation so natürlich wie möglich ablaufen zu lassen. Die Kamera ist immer draußen. Ich quatsche erst mal bestimmt eine halbe Stunde mit der Person, um eine wirklich ruhige Grundstimmung zu erhalten. Die Kamera ist quasi immer in Sicht der anderen Person, sodass diese sich langsam daran gewöhnen kann und sieht, ok, die Kamera ist da, sie tut einem nichts, sie beißt nicht.
Und wenn sie sich wirklich unwohl vor der Kamera fühlt, dann erkennst du bestimmt auch dieses typische „cheeeese“. Dieses Grinsen, das so erzwungen, so ungewollt ist. Dann gehe ich persönlich gerne ins Extreme und setze ein richtig breites Lächeln auf, dass die Person beginnt zu lächeln. Ein Lächeln, das sich normal anfühlt. Oder ich ziehe es ins Extreme, richtig ins Lächerliche, sodass das, was vorher komisch wirkte, wirklich als normal empfunden wird.
Was war die schönste Location für dich?
Schwer zu sagen. Ich bin sehr gerne am Strand unterwegs, im Wald, in Feldern oder sonst irgendwo. Durch Corona ist Reisen natürlich sehr schwierig, mache ich persönlich aktuell auch nicht. Daher habe ich auch nicht den einen krassen Spot. Das ist aber auch schwer zu sagen, wir waren auch schon an Orten wie zum Beispiel Estland.
Es kommt trotzdem auf den Moment an. Wenn ich wirklich an einer „normalen“ Location, an der ich eigentlich jeden Tag bin, einen besonderen Moment einfange, würde ich diesen Ort allen anderen Locations vorziehen, von denen man normalerweise „oh ist das schön hier“ sagt. Dieser [für andere schöne] Ort wäre nicht schön in meinem Auge, da es eigentlich um den Moment, um die Emotionen geht, die damit verknüpft sind. Überall, wo ich war, überall, wo ich fotografische Erinnerung habe, ist es für mich schön.
Was war die größte Hürde in deiner fotografischen Laufbahn bisher?
Am Anfang, als ich den Entschluss gefasst habe, Menschen zu fotografieren, da stand ich persönlich noch nicht gerne vor der Kamera, und jetzt sollte ich Leute davon überzeugen vor meiner Kamera zu stehen? Das ist natürlich komisch, nicht? Geh mal zu einem Koch, der sein eigenes Essen nicht isst. Genau so war es bei mir.
Es war für mich die größte Hürde, den Leuten zu sagen: „Hey, stell dich doch mal vor meine Kamera, ich würde dich gerne mal fotografieren“. Ganz frei nach dem Motto „Und wenn sie fragen, wo sind Bilder mit dir?“. Das war die Angst, die ich hatte, dass so etwas gefragt wird. Es wurde nicht gefragt. Ach Gott, wer fragt denn so etwas? Das wäre ja so, als ob du den Bahnschaffner fragst, ob er ein eigenes Ticket hat.
Aber das war die größte Hürde, aus der Komfortzone rauszugehen. Ja, ich arbeite im Verkauf, ich habe eigentlich jeden Tag Kundenkontakt, aber das war eine Herausforderung für mich.
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Wieviel % gehen tatsächlich für’s Fotografieren drauf an Zeit und wieviel % für Bearbeitung und für das Business?
Eine Frage, die man sich wahrscheinlich als Hobby-Fotograf schwer beantworten kann. Man hat sich vielleicht immer gewünscht, dass Fotografieren die meiste Zeit einnimmt, aber das stimmt nicht, es ist nicht viel. Wenn ich jetzt wirklich eine Prozentzahl nennen müsste, wären es 20% Fotografieren und 20% Bildbearbeitung. Es ist ungefähr gleich.
Da ich persönlich bei freien Aufträgen auch gerne viel herumexperimentiere, was sich dann quasi alles wieder ausgleicht, ist es eigentlich gleich. Ich spiele auch viel, ich bilde mich weiter, ich schaue, was ich alles für meine Kunden machen könnte. Es ist nicht einfach OK, Shooting ist vorbei, 10 Minuten später einen Blick drauf und fertig ist die Schau. Das entspricht nicht meinen Gefühlen und deswegen, denke ich 20-20 und 60% für Business.
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Wobei das kein Business für mich ist. Zum Beispiel solche Videos wie hier könntest du als Business bezeichnen, denn ich teile ja etwas mit Lens-Aid, aber es macht großen Spaß. Es ist für mich nicht Business im Sinne von Arbeit. Auch der Kontakt mit Kunden, die Gespräche und allem Drum und Dran, das gehört dazu. Das klingt komisch, aber ich feiere das und es macht mir wirklich Spaß.
Denn das zählt alles zum ganzen Prozess des Fotografierens. Die Weiterbildung zum Beispiel, auch das macht Spaß und von daher bin ich gar nicht böse, dass das Fotografieren nicht so viel Zeit einnimmt, wie ich mir das früher als Hobbyfotograf gedacht hatte. Dass es genau das Gegenteil ist, macht mich nicht böse. Dieses Video zum Beispiel für euch hier aufzunehmen, das macht mir gerade wirklich Spaß.
Wie bearbeite ich meine Bilder?
Meine Bilder bearbeite ich easy im Lightroom. Also da ist der Grundlook, da kommt der kleine Feinschliff rein und danach geht es an Photoshop, mit Retouche, Look reinbringen, Lichtführung etc. Je nachdem, wie aufwendig es nachher werden soll. Aber bei Porträtbildern gehe ich eigentlich immer in Lightroom und mache die Grundbearbeitung. Es ist eigentlich wirklich nur Licht und Schärfe und danach geht es zu Photoshop.
Dein größter Faux Pas bisher bei einem Auftrag?
Ich habe eigentlich noch gar nicht so große krasse Fehler gemacht, wie vor dem Shooting Speicherkarte vergessen, was natürlich super ärgerlich wäre. Das wirklich Schlimmste war, dass ich die Belichtungszeit falsch eingestellt hatte. Wir haben irgendwie 300 Bilder gemacht und die ersten 150 waren einfach alle total verschwommen. Belichtungszeit 1/50, Bewegungsunschärfe des Todes und einfach die Hälfte der Bilder waren Schrott.
Trotzdem waren zum Glück noch 150 gute Bilder dabei, wirklich top und auch wirklich die besten. Ein Glück entstehen die besten Fotos zum Schluss, wenn die Person vor der Kamera dann auch lockerer geworden ist. Das war für mich wirklich Mist und deswegen habe ich gelernt, immer als erstes auf die Belichtungszeit zu achten, noch vor Blende und so weiter. Belichtungszeit immer als erstes. Ja, das war so mein größtes Learning.
Eine Kamera und ein Objektiv, deine Wahl?
A73 35mm, ganz klar. Wenn es keine A73 von Sony wäre, wäre es irgendein anderer Kamerabody, völlig egal. Bei APS-C wären es 24mm, sodass ich auf 35mm kommen würde. Es ist einfach das Allround Objektiv, es ist mir egal ob von Canon, Nikon, Sony oder sonst irgendwem.
Du kannst einfach alles damit machen. Du kannst damit filmen, wie jetzt zum Beispiel. Du kannst damit Porträts aufnehmen, du kannst Landschaftsaufnahmen, du kannst Lifestyle, du kannst Nude-Fotografie, du kannst alles Mögliche damit machen.
Sportfotografie und wilde Tiere fotografieren, ist damit natürlich schwierig. Da wirst du wahrscheinlich eher gebissen, als ein gutes Foto zu bekommen. Aber für das, was ich mache – Porträts, Social Media Bilder und Content Creation – ist 35mm top.
Mein ultimativer Tipp für Nachwuchsfotografen?
Versteif dich nicht zu sehr auf die Technik. Suche keine Ausreden darin, dass du das eine bestimmte Objektiv, das eine bestimmte Blitzlicht, den einen bestimmten Kamerabody haben musst, um diese Art von Bildern zu machen.
Klar gibt es Ausnahmen, aber versteif dich nicht darauf. Das ist für mich das wichtigste Learning gewesen. Konzentriere dich wirklich aufs Fotografieren und nicht auf die Technik. Ich mache mittlerweile viele Bilder – so hart es auch klingt – mit dem Smartphone.
Es ist einfach da, ich habe es in der Hand und ich kann damit Bilder machen, die sogar richtig gut aussehen, weil ich das Grundverständnis der Fotografie in meinem Kopf habe. Daher, lerne das erst einmal, bevor du dich mit der Technik beschäftigst und suche keine Ausreden, um ein neues Objektiv oder sonst irgendetwas zu kaufen.
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Setze das, was du dir vorstellst, mit dem was du hast, um. Klar gibt es Ausnahmen, dass du wirklich sagst, OK, wenn ich lange genug auf der Pirsch bin, um das Eichhörnchen da hinten zu fotografieren, benötige ich ein bestimmtes Objektiv. Aber es gibt wirklich super viele Momente, wo du es nicht benötigst. Mein zweiter Tipp, trau dich, mach einfach, setze die ISO ein, wenn du sie brauchst. Hab keine Angst vor ISO.
So, ich hoffe, dir hat diese kleine freie Runde gefallen. Vielen Dank nochmal an euch, Lens-Aid, dass ich hier diese Fragen beantworten durfte, hat wirklich super viel Spaß gemacht. War echt klasse, cool, dass ihr dieses Format ins Leben gerufen habt.
Und dir [als Leser] wünsche ich viel Spaß beim Fotografieren. Ich hoffe, du konntest ein bisschen was von mir mitnehmen und falls du noch Fragen hast, scheue dich nicht, mich zu fragen.
Danke für das Interview, lieber Frederic Grandt!
Du hast den Text nur überflogen? Kein Problem, hier kannst du dir das Interview auch als Video anschauen…