Tiefenschärfe oder Schärfentiefe? Der korrekte Begriff ist eigentlich Letzterer, verwendet werden aber beide Bezeichnungen. In der Fotografie dient die Schärfentiefe jedenfalls als ein wichtiges gestalterisches Mittel: Mit ihr kannst du gezielt den Fokus des Betrachters lenken und deine Bilder komponieren. Wir erklären dir Wichtiges zum technischen Hintergrund und natürlich auch, wie du die Schärfentiefe beeinflussen und für deine Bilder nutzen kannst.
Schärfentiefe oder Tiefenschärfe?
Die Schärfeebene ist eines der wichtigsten Merkmale der optischen Abbildung. Du kannst eine Ebene im Bildmotiv scharf abbilden, Motivteile außerhalb dieser Ebene werden mit wachsendem Abstand unscharf abgebildet. Diese Eigenheit der Abbildung ist bekannt und nennt sich Schärfentiefe oder Tiefenschärfe.
Welcher Begriff die Eigenschaft des Schärfenbereiches besser ausdrückt, löst unter Fotografen mitunter intensive Diskussionen aus. Eigentlich ist der Begriff Schärfentiefe – den Argumenten folgend – die korrekte Bezeichnung, dennoch hält sich der „falsche“ Ausdruck Tiefenschärfe hartnäckig.
Zwei Bezeichnungen, unterschiedliche Auffassungen
- Wer den Ausdruck Schärfentiefe verwendet, wählt einen technischen Ansatz in Bezug auf die optische Abbildung – von diesem Standpunkt aus gibt es den Tiefenbereich scharfer Abbildung, somit ist die Rede von Schärfentiefe.
- Gehörst du zu jenen, die von Tiefenschärfe sprechen? Dann hast du einen kreativen Ansatz zum selben Thema gewählt: Du möchtest mit Schärfe und Unschärfe gestalten und verwendest dazu die Raumtiefe – daher lautet die Bezeichnung für dich logischerweise Tiefenschärfe.
Was genau ist die Schärfentiefe/Tiefenschärfe?
Der Name sagt es: Bei der Schärfentiefe spielst du mit der Unschärfe im Bildhintergrund bzw. in der Tiefe des Fotos (räumliche Tiefe). Wenn der Hintergrund in der Unschärfe verschwindet, handelt es sich um eine geringe Schärfentiefe (Bokeh-Effekt). Ist der Hintergrund scharf, ist die Rede von einer eher hohen Schärfentiefe.
Indem du mit der Schärfentiefe spielst, veränderst du den Fokus im Bild – dadurch kannst du den Blick des Betrachters lenken und die gesamte Bildaussage bzw. -geschichte verändern.
Wie stelle ich die Schärfentiefe richtig ein?
Generell beeinflusst der Sensor deiner Kamera die Schärfentiefe: Je kleiner der Kamerasensor ist, desto größer fällt die Schärfentiefe aus. Möchtest du einen Unschärfe-Effekt erzeugen, gelingt dir das mit einem größeren Sensor besser. Deshalb erzeugst du mit kleinen Kompaktkameras oder Smartphones, die über einen sehr kleinen Bildsensor verfügen, in der Regel Fotos, die durchgängig – also von vorne bis hinten – scharf sind.
Außerdem beeinflussen folgende wichtige Faktoren die Schärfentiefe – je nachdem, welche Einstellungen du hier vornimmst, lässt sich gezielt ein Effekt von Unschärfe erzielen.
1. Ändern der Schärfentiefe mithilfe der Blende
Mit der Blendeneinstellung deiner Kamera kannst du festlegen, wie viel Licht die Blende durchlassen soll. Dabei bedeutet eine hohe Blendenzahl, dass die Blende weiter geschlossen ist und folglich weniger Licht hineinfällt. Umgekehrt verweist eine niedrige Blendenzahl auf eine weiter geöffnete Blende. Je größer der Blendenwert ausfällt, desto mehr Schärfentiefe wird erzeugt. Möchtest du also einen eher unscharf erscheinenden Hintergrund erreichen, dann musst du die Blendenzahl so verändern, dass sich die Blende weiter öffnet. Die meisten Spiegelreflexkameras verfügen übrigens über eine sogenannte Abblendtaste. Diese aktiviert die Blende, sodass du im Kamerasucher die Schärfentiefe vorab prüfen kannst.
Tipp: In der Porträtfotografie solltest du darauf achten, dass du vor allem das dem Betrachter zugewandte Auge scharf abbildest – je nach Intention, ist es schöner, wenn beide Augen scharf abgebildet sind. Äußerst merkwürdig wirkt es hingegen, wenn du das vom Betrachter weiter entfernt liegende Auge scharf abbildest und das dem Betrachter näher liegende Auge unscharf ist.
2. Abbildungsmaßstab und Entfernung zum Objekt
Auch die Entfernung zu dem Objekt, das du fotografieren möchtest, ändert die Schärfentiefe. Je näher du dich hin zu deinem Motiv begibst, desto geringer wird die Schärfentiefe ausfallen. Anders erklärt: Mit der Unschärfe zu spielen, fällt maßgeblich einfacher, je näher du dich hin zu deinem Motiv begibst. Dieses Prinzip kannst du übrigens auch beim Fotografieren mit deinem Smartphone nutzen.
Stellst du die Schärfe auf ein weiter entfernt liegendes Objekt ein, erhältst du auch mehr Schärfentiefe – das ist häufig der Grund, weshalb Landschaftsbilder einen großen Schärfebereich aufweisen. Und im Gegenzug erklärt dies, warum bei Makroaufnahmen äußerst wenig Schärfentiefe vorhanden ist. Du versuchst dann, möglichst weit an das Objekt heranzukommen, um es so groß wie möglich abzulichten, häufig hast du es in der Makrofotografie mit einer Schärfentiefe von 1 mm zu tun.
3. Brennweite
Den Effekt von Schärfe und Unschärfe kannst du außerdem mit deiner Objektivwahl und der damit verbundenen Brennweite beeinflussen. So ist bei kurzen Brennweiten (Weitwinkelobjektive) die Schärfentiefe bedeutend größer als bei hohen Brennweiten (Teleobjektive). Je nach Brennweite erreichst du somit mehr oder weniger Schärfentiefe: Je mehr Zoom, desto weniger Schärfentiefe hast du.
In diesem Zusammenhang gibt es aber einen großen Irrtum, nämlich die generelle Annahme: Eine hohe Brennweite (Teleobjektiv) bedeutet automatisch wenig Schärfentiefe, eine geringe Brennweite (Weitwinkel) bedeutet automatisch eine hohe Schärfentiefe.
Es sind nämlich vor allem die Faktoren „Blende“ und „Abbildungsmaßstab“, mit denen du die Schärfentiefe beeinflussen kannst – die Brennweite entsteht schließlich automatisch durch den Abbildungsmaßstab. Dazu ein Beispiel.
Aufnahme mit Teleobjektiv
Du möchtest einen Schaukelstuhl im Hochformat bildfüllend abbilden. Du verwendest ein Teleobjektiv und musst dich dementsprechend weit von deinem Motiv wegbewegen, damit der Schaukelstuhl zur Gänze abgebildet wird. Wenn du nun auf die obere Stuhllehne fokussierst, weist der Hintergrund eine bestimmte Unschärfe auf. Du machst ein Foto.
Aufnahme mit Weitwinkelobjektiv
Nun verwendest du für dasselbe Motiv ein Weitwinkelobjektiv. Daher musst du dich um einiges näher heran an das Motiv bewegen und es gelingt, dass der Schaukelstuhl – wie bei der Aufnahme mit dem Teleobjektiv – genau in das Bild passt und von oben bis unten scharf abgebildet wird. Es handelt sich also um denselben Abbildungsmaßstab.
Nun setzt du denselben Fokuspunkt auf die Lehne wie zuvor und wählst auch dieselbe Blende. Nun machst du ein Foto. Was ist das Ergebnis? Der gesamte Stuhl ist wie bei der Aufnahme mit dem Teleobjektiv bildfüllend auf dem Foto und auch die Unschärfe des Hintergrundes fällt gleich aus.
Das bedeutet: Bei der gleichen Blende und dem gleichen Abbildungsmaßstab fällt die Schärfentiefe identisch aus – unabhängig davon, welche Brennweite verwendet wird. Je höher der Abbildungsmaßstab, desto geringer fällt die Schärfentiefe aus.
Möglichkeiten, die Schärfentiefe gestaltend einzusetzen
Wenn du ein Motiv fotografierst, wählst du bewusst eine Schärfeebene – auf diese stellst du scharf. Motivteile, die sich innerhalb dieser Schärfeebene befinden, möchtest du scharf abgebildet haben, die Elemente vor und hinter dieser Ebene werden – mit wachsendem Abstand von dieser – immer weniger scharf abgebildet. Den Übergang von der Schärfe in die Unschärfe kannst du beeinflussen; das heißt aber auch, dass du darüber nachdenken sollst, wie du das nutzen kannst. So bietet dir die Schärfentiefe ein optimales Mittel, um etwas wegzulassen.
So kannst du die Schärfentiefe für dich nutzen
- Du kannst mit Schärfentiefe im Foto Tiefe andeuten. Schärfe vermittelt Information über einen Raum – eine bestimmte Tiefe im Raum zeichnet sich durch die Schärfeebene aus. Unscharfe Bildelemente befinden sich entweder davor oder dahinter. Somit bildet sich automatisch ein Bereich der Motivebene. Ein unscharf abgebildeter Vordergrund leitet den Blick in die Tiefe, während der Blick fest im Vordergrund bleibt, wenn der Bildhintergrund unscharf ist. Du kannst Schärfe folglich nicht nur als Mittel zur Andeutung von Raum, sondern auch zur Lenkung der Aufmerksamkeit in der Raumtiefe einsetzen.
- Du fokussierst mit selektiver Schärfe die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die wesentlichen Bildelemente.
- Einen unerwünschten Hintergrund kannst du durch Unschärfe eliminieren.
- Mit einer großen Schärfentiefe erzielst du eine sachliche Wirkung.
Mit durchgehend scharf abgebildeten Motiven erzeugst du übrigens nicht nur Sachlichkeit und Objektivität. Durch Schärfe und Unschärfe ergibt sich außerdem eine Kalt-Warm-Tendenz. Durchgehende Schärfe kann die Darstellung von Kälte unterstützen, während sich der Eindruck von Wärme durch selektive Schärfe unterstützen lässt.
Fazit: Die Schärfentiefe ist für viele Bereiche der Fotografie ein wichtiges und effektvolles Gestaltungsmittel. Mit ihr kannst du den Fokus des Betrachters auf das Wesentliche richten. Aus diesem Grund solltest du den Umgang mit der Schärfentiefe auch bewusst üben.
Die beeinflussenden Faktoren – Blende, Entfernung zum Objekt und Brennweite – lassen sich miteinander kombinieren, das musst du trainieren. Und auch die Abhängigkeit der Schärfentiefe von der Größe des Sensors sorgt dafür, dass es etwas an Übung erfordert, um tolle Ergebnisse zu erhalten – die dann aber umso mehr überzeugen!
Übrigens erhältst du besonders beeindruckende Unschärfe-Resultate mit Objektiven, die Blendenwerte von f/2,8 oder noch weniger gestatten.