Dein Motiv hast du fokussiert, alle Details sind so richtig scharf und die Farben optimal? Und trotzdem fehlt deinem Bild das Tüpfelchen auf dem i. Wem das bekannt vorkommt, der hat möglicherweise etwas nicht beachtet: das Prinzip des Goldenen Schnitts. Damit gelingen dir nämlich mühelos perfekte Fotos.
Der Goldene Schnitt bietet dir die Grundlage für harmonische Bilder. Dieser hilft dir dabei, für jedes Motiv die ideale Positionierung zu finden – er unterstützt dich beim optimalen Bildaufbau. Dabei handelt es sich um ein bestimmtes Proportionsverhältnis. Fotos, die dementsprechend aufgebaut sind, wirken auf den Betrachter in der Regel sehr harmonisch.
Der Grund ist, dass das Verhältnis auch in der Natur häufig vorkommt. Seinen Ursprung hat dieser Kompositionsansatz in der Geometrie. Der Goldene Schnitt bezieht sich auf die idealen Seitenverhältnisse eines mathematischen Körpers, etwa die Länge der Kanten eines Vierecks. Geometrische Figuren wirken nur dann auf den Betrachter harmonisch, wenn sich ihre Seiten in gewissen Größenverhältnissen zueinander befinden. Anderenfalls hinterlässt es einen unnatürlichen Eindruck. Eine wichtige Bedeutung hat der Goldene Schnitt demnach insbesondere in der Kunst, der Architektur und in der Fotografie.
Vor allem Einsteigern hilft diese Regel dabei, ein besseres Gefühl für die Bildkomposition bzw. die Aufteilung des Bildes zu entwickeln. Mit etwas Übung weißt du, wie du deine Hauptmotive in der Bildfläche an der passenden Stelle platzierst und du mit der Tiefenschärfe effektvoll fokussieren kannst.
So wird dieses als harmonisch empfundene Längenverhältnis durch die Zahl Phi (die sich mit a : b = (a + b) berechnet) bestimmt.
Eine Strecke wird dabei derart geteilt, dass sich die Gesamtstrecke im selben Verhältnis zur längeren Teilstrecke befindet wie die lange zur kürzeren Teilstrecke. Vereinfacht teilst du dabei die Fläche im Größenverhältnis 3:5 oder 5:8 – 8:13 – 13: 21 ein. Und platzierst dementsprechend deine Motive. Sowohl horizontal als auch vertikal … Verstehst du trotzdem bis jetzt nur Bahnhof und möchtest beim Fotografieren keinesfalls mit Rechner und Lineal herumrennen. Dann lies weiter …
Basiswissen zum Goldenen Schnitt
Erinnerst du dich noch an die Berechnung des Goldenen Schnittes aus dem Mathematikunterricht? Als geometrischer Ansatz hilft er dir beim Fotografieren. Die Formel bezeichnet man auch als Proportio Divina („göttliche Proportion“). Die berühmte Statue der Venus von Milo zeigt die Göttin Aphrodite schon im zweiten Jahrhundert vor Christus mit „goldenen“ Proportionen.
Seinen Beginn hat dieses Prinzip also in der Antike – doch bis heute hat der Goldene Schnitts nichts an Aktualität eingebüßt. Mit dem Goldenen Schnitt lassen sich die Proportionen jedes Körpers in das visuell am harmonischsten wirkende Verhältnis einteilen. Dazu benötigst du zunächst eine senkrechte Linie: Diese unterteilt das Bild in zwei ungleich große Segmente. Sie nehmen etwa 61,8 und 38,2 Prozent der Bildlänge ein. Dann brauchst du noch eine waagrechte Linie: Sie unterteilt das Bild senkrecht, ebenfalls im Verhältnis 61,8:38,2.
Der Goldene Schnitt in Kunst und Fotografie
Vor allem in der Kunst und somit auch in der Fotografie ist das Prinzip des Goldenen Schnittes sehr bedeutend. Es unterstützt Maler, Bildhauer und Fotografen dabei, ihre Motive in optisch ansprechende Abschnitte zu unterteilen.
Dabei orientierst du dich an dem entsprechenden Raster: Mit zwei waagrechten und zwei senkrechten Linien wird das Bild in neun Felder im Verhältnis des Goldenen Schnittes aufgeteilt. Ob du die Orientierungslinie eher links oder rechts bzw. eher oben oder unten anordnest, ist egal. Wichtig ist: Dein Hauptmotiv muss sich an einer dieser Linien, bestenfalls genau am Schnittpunkt von beiden, orientieren.
In der Renaissance lässt sich übrigens an den Kompositionen von Leonardo da Vinci der Goldene Schnitt erkennen. Beim bekannten „Abendmahl“ zeigen die Hände von Jakobus die Trennungslinie – sie berühren den Tisch.
Egal um welches Motiv es sich handelt oder wie du deine Kamera positionierst, das Raster des Goldenen Schnitts kannst du bei allen Aufnahmen verwenden. Bilder von Menschen, einer Landschaft oder eines Gegenstands werden mit dem Goldenen Schnitt perfekt proportioniert.
Möchtest du ein besonders stimmungsvolles Foto von einer Person vor einem ansprechenden Hintergrund erstellen? Dann ist es besonders wichtig, dass du diese Regel zumindest grob einhältst. Viele Fotoanfänger fällt es schwer, die Person dann am besten im Bild zu positionieren. Und sie fragen sich, wie viel vom Hintergrund auch abgelichtet werden soll. Hier hilft der Goldene Schnitt.
Die Anwendung des Goldenen Schnittes: Raster an deiner Kamera einblenden
Ist es dir zu abstrakt, dir ein Muster vorzustellen, um die passende Komposition zu finden? Keine Sorge, die meisten Kameras bieten ein optional einblendbares Raster. Dieses ermöglicht es, bereits bei der Aufnahme die Bildaufteilung zu beachten. Die entsprechende Einstellung nennt sich meistens Gitterlinien. Je nach Hersteller variiert aber die Darstellungsweise: Manche unterteilen in Drittel, manche laut Goldenem Schnitt, einige in Viertel. Es handelt sich also nicht immer um den Goldenen Schnitt. Dennoch sind sie sehr hilfreich, um deine Bilder gerade auszurichten. Sie unterstützen dich auch dabei, wichtige von unwichtigen Motiven zu unterscheiden.
Tipp: Zeigt deine Kamera nicht die Linien für den Goldenen Schnitt, kannst du eine Displayschutzfolie verwenden. Bringe sie an deinem Kameramonitor an und male die Orientierungslinien mit einem Permanentmarker auf.
Die Ausrichtung des Motivs nimmst du jedenfalls anhand der Schnittpunkte und Linien im Raster vor. Beispielsweise platzierst du den Horizont auf einer der waagrechten Teilstrecken im Raster. Den abzubildenden Menschen kannst du in hingegen im Vordergrund mithilfe der Senkrechten des Rasters ausrichten.
Fotografiere dein Motiv niemals zu knapp. Sorge dafür, dass links und rechts etwas Luft im Bild bleibt. Dann kannst du nachträglich auch am Computer den Goldenen Schnitt frei einrichten. So bleibst du flexibel.
Schon gewusst? Fälschlicherweise bezeichnen manche den Goldenen Schnitt als Drittel-Regel. Das ist deshalb nicht richtig, weil das Teilungsverhältnis eben ein wenig davon abwendet.
Drittel-Regel ist nicht Goldene Schnitt
Die Drittel-Regel teilt die Bildfläche gleichmäßig in 2:3 auf. Das Bild wird insgesamt in drei gleich große Segmente aufgeteilt: horizontal und vertikal. Das Verhältnis beim Goldenen Schnitt hingegen beläuft sich auf 1:1,618. Bei der Drittel-Regel gilt: Der Kopf eines Menschen sollte sich stets im oberen Drittel befinden, die Füße im unteren. Bilder, die der Drittel-Regel folgen, wirken meist spannender, während Bilder gemäß dem Goldenen Schnitt harmonisch erscheinen.
Übrigens: Auch die plastische Chirurgie orientiert sich am Goldenen Schnitt. Dessen Proportionsverhältnis wird auch in Bezug auf Gesichts- und Körperproportionen als besonders schön empfunden: Je genauer die menschlichen Proportionen von Körper und Gesicht dem Goldenen Schnitt entsprechen, desto attraktiver wirkt die betreffende Person.
Nicht vergessen, dass der Goldene Schnitt kein kein Naturgesetz darstellt. In den meisten Fällen ist eine Aufteilung der Bildfläche laut diesen Vorgaben zwar vorteilhaft. Doch so manches Motiv wirkt erst so richtig, wenn du gezielt mit dem Goldenen Schnitt – oder auch anderen fotografischen Geboten – brichst.
Das bedeutet: Auch eine Zentralperspektiv kann berechtigt sein, auch andere Bildkompositionen. Das hängt stets davon ab, welche Emotionen du beim Betrachter auslösen willst und wie du das Auge durch das Foto leiten möchtest. Ist zum Beispiel Symmetrie dein Thema, dann kommst du mit dem Goldenen Schnitt nicht weiter. Auch dann nicht, wenn du Disharmonie als Bildaussage wählst.
Toll geschriebener Artikel 🙂
Schnell zu lesen und dennoch genügend Tiefe, um die Technik verstehen und umsetzen zu können.
Finde ich klasse!
Danke!
Vielen Dank für dein Feedback! 🙂