Mit den neuen Digitalkameras lassen sich selbst ohne große Vorkenntnisse richtig gute Bilder machen. Ist die Programmauswahl auf Intelligente Automatik gestellt, passt die Kamera ihre Einstellungen von ganz alleine auf die Situation an. So entstehen nette Landschaftsaufnahmen, Portraits und Schnappschüsse. Doch mit manuellen Kamera-Einstellungen lässt sich aus vielen Situationen noch mehr herausholen. Bei Portraits lassen sich die Details im Hintergrund steuern, ein Fluss erhält mystische Stimmung durch weichgezeichnetes Wasser und ein Rennwagen kann in jeder Lage gestochen scharf dargestellt werden.
Du träumst auch davon, solche Aufnahmen zu machen, hast aber keine Ahnung welche Einstellungen dafür nötig sind? Dann helfen wir dir mit unserer kleinen Einführung zu den manuellen Kamera-Einstellungen gerne weiter. Hier findest du zunächst unseren Grundkurs mit den wichtigsten Begriffen: Blende, Belichtungszeit und ISO.
Die Blende
Am Anfang kann die Blende wie ein Buch mit sieben Siegeln wirken. Aber eigentlich ist es wie das Abseits beim Fußball – wenn man die Bedeutung der Blende einmal wirklich begriffen hat, ist alles ganz logisch. Mit der Blende regelst du den Lichteinfall durch das Objektiv und nimmst damit Einfluss auf die Schärfentiefe in deinem Bild. Die Schärfentiefe – häufig auch Tiefenschärfe genannt – bezeichnet die räumliche Tiefe, in der das Motiv scharf abgebildet wird und ist ein wichtiges Gestaltungselement in der Fotografie.
Geschlossene Blende oder offene Blende?
Bei Landschaftsaufnahmen wünscht du dir sicherlich Tiefenschärfe bis in den hintersten Winkel. Daher solltest du dich in diesem Fall für eine kleine also geschlossene Blende entscheiden. Wählst du eine offene also große Blende, fällt besonders viel Licht auf den Sensor und es entsteht eine kleinerer Schärfebereich. So kannst du beispielsweise gute Portraits gestalten. Wenn du richtig fokussierst, wird die Person im Vordergrund gestochen scharf abgebildet. Der Hintergrund verschwimmt und wird zum Nebendarsteller. Diese gewollte Unschärfe nennt man Bokeh.
Für eine offene Blende kannst du dich aber nicht nur bei Portraitaufnahmen, sondern auch in einigen anderen Situationen entscheiden. Viel Licht benötigt der Sensor nämlich auch, wenn du bei schlechteren Lichtverhältnissen wie in der Dämmerung und in Innenräumen ohne Blitzlicht fotografierst. Das gilt auch bei Aufnahmen von Bewegungen, also z.B. bei der Sportfotografie. Viel Licht auf dem Sensor bedeutet, dass du kürzer belichten kannst, d.h. das Bild „einfrieren“ damit es nicht unscharf wird.
Warum erscheint die Bezeichnung der Blende so kompliziert?
Das klingt bis jetzt noch sehr einfach. Doch die meisten Anfänger stolpern über die Benennung der Blende. Eine große Blende hat nämlich eine kleine Zahl, z.B. f/2.8, für kleine Blende steht eine große Zahl, z.B. f/22 – dabei steht das „f“ für die Brennweite (Englisch: “Focal Length”). Die verwirrenden Zahlen kommen durch die Bruchrechnung zustande. Die Blendenzahl ist nämlich ein Kehrwert und beschreibt das Verhältnis der Brennweite zum Durchmesser der Blende. Wenn du genau darauf achtest, entdeckst du, dass die Blendenzahl immer mit einem Bruchstrich dargestellt wird.
Aus der Schule wissen wir ja noch, dass 1/2 größer als 1/8 ist. Die Blende f/4 ist somit logischerweise auch größer als die Blende f/16.
Wenn dir das alles zu kompliziert ist, merkst du dir einfach: Eine kleine Blendenzahl bedeutet eine kleine Schärfentiefe, eine große Blendenzahl sorgt für eine große Schärfentiefe – natürlich immer abhängig von der gewählten Brennweite und dem Abstand vom Motiv. Damit du den Umgang mit der Blende auch verinnerlichst, kannst du dies mithilfe einer kleinen Kamera-Einstellung üben.
Detailliertere Informationen zur Blende kannst du hier nachlesen.
Stell den Modus deiner Kamera auf A bzw. Av (Aperture Value, Blendenpriorität), so aktivierst du die Zeitautomatik. Dann kannst du die passende Blende für deine Versuche auswählen, die anderen Parameter werden von der Programmautomatik angeglichen.
Die Belichtungszeit oder Verschlusszeit
Nicht nur durch die manuelle Einstellung der Blende lassen sich besondere Bilder und interessante Effekte erzielen. Eine individuell eingestellte Verschlusszeit kann insbesondere bei bewegten Motiven für deutliche bessere Fotos sorgen. Stell das Moduswahlrad deiner Kamera auf Blendenautomatik (S oder Tv) und schon kannst du frei entscheiden, wie lange der Kameraverschluss nach dem Auslösen geöffnet bleibt, also wie lange Licht auf den Sensor fällt.
Bewegungen mit kurzer Belichtungszeit festhalten
Fotografierst du also ein Motiv in Bewegung, entscheidest du dich in der Regel für eine kurze Belichtungszeit, damit das Bild scharf wird. Die Bewegung wird sozusagen eingefroren. Die gewählte Belichtungszeit richtet sich dabei nach der Geschwindigkeit deines Motivs. Möchtest du einen Spaziergänger festhalten, reicht zum Teil eine Verschlusszeit von 1/100 Sekunde. Spielende Kinder, Sportler oder beispielsweise ein schnelle Autos lassen sich nur mit einer deutlich kürzeren Verschlusszeit (z.B. 1/500 s oder noch kürzer) festhalten.
Besondere Effekte durch eine lange Belichtungszeit
Aber auch in der Landschaftsfotografie kannst du mit einer individuell gewählten Verschlusszeit besondere Fotos machen. Bestimmt hast du schon einmal Bilder gesehen, bei deinen ein Fluss wie weichgezeichnet aussieht. Hier hat der Fotograf eine lange Belichtungszeit gewählt. Möchtest du auch so ein Bild machen, musst du dafür sorgen, dass es nicht verwackelt. Bei einer längeren Belichtungszeit kannst du nämlich nicht mehr aus der Hand fotografieren, sondern benötigst ein Stativ – sogar wenn deine Kamera oder das Objektiv einen Bildstabilisator hat. Hier gibt es eine einfache Faustregel: 1/(Brennweite in mm), also z.B. mit einem 100 mm-Objektiv und bei einer Verschlusszeit von 1:100s, kannst du in der Regel noch gut aus der Hand fotografieren.
Mit welcher Verschlusszeit du welche Situation optimal ablichtest, findest du wieder durch Ausprobieren und Üben heraus. Fotografiere doch einmal fahrende Autos mit langer und mit kurzer Belichtungszeit und vergleiche die Bilder. Interessante Effekte erzielst du auch, wenn du die Kamera in Bewegungsrichtung mitziehst. Je länger die Belichtungszeit, desto verschwommener werden die Motive. Aber Achtung: je nach Helligkeit der Umgebung wird das Bild bei langer Verschlusszeit so stark überbelichtet, dass das ganze Bild nur noch hell ist und du gar kein Motiv mehr erkennen kannst.
Der passende Modus zum Üben ist T bzw. TV (Blendenautomatik). Hier regelt deine Kamera die Blende und du kannst dich auf deine Belichtungszeit konzentrieren bzw. diese fix festlegen.
Der ISO-Wert
Und hier kommt jetzt der ISO-Wert ins Spiel, der für die Lichtempfindlichkeit des Sensors steht. Mit diesem Wert kannst du Einfluss auf die möglichen Blenden- und Verschlusszeitenbereiche nehmen. Du entscheidest damit nämlich, wie empfindlich der Sensors auf Licht reagiert. Einfach gesagt bedeutet eine hohe ISO-Zahl eine hohe Lichtempfindlichkeit, dein Foto wird damit heller. Ein niedriger ISO-Wert senkt die Lichtempfindlichkeit und dein Bild wird dunkler. Das ist ähnlich wie bei deinen Augen, wenn du von einem dunklen Raum ins Helle gehst und deine Augen erstmal geblendet sind und sich dann “anpassen”. Nur spricht man hier natürlich nicht vom ISO-Wert.
Möchtest du also eine längere Belichtungszeit oder eine offene Blende bei guten Lichtverhältnissen probieren, setzt du den ISO-Wert runter. Große Vorteile bringt dir ein individuell eingestellter ISO-Wert aber auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Änderst du den Wert beispielsweise von 200 auf 800 ISO bzw. eine noch höhere ISO-Zahl, kannst du auch in der Dämmerung noch tolle Bilder machen oder in Innenräumen bei Kerzenlicht auch ohne Blitz fotografieren. Du nutzt dabei also das Licht, das dir zur Verfügung steht, in der Fachsprache nennt man das Available Light-Fotografie. Neben der weit geöffneten Blende und einer längeren Verschlusszeit ist ein hoher ISO-Wert damit sozusagen die dritte Komponente bei der Belichtung deines Fotos und bietet dir Spielraum für die anderen Einstellungen.
Achtung, Bildrauschen!
Doch die erhöhte Empfindlichkeit des Sensors hat auch ihren Preis – das sogenannte Bildrauschen. Dein Bild sieht dann etwas pixeliger oder gekörnter aus und manchmal können sogar Farbstiche entstehen. Wie stark dieser Effekt ist, hängt vom eingestellten ISO-Wert sowie von dem Sensor deiner Kamera ab. Fotogfafierst du mit einer Vollformatkamera profitierst du vom größeren Sensor. Hier ist das Bildrauschen deutlich geringer als bei einer Kamera mit einem APS-C Sensor oder noch kleinerem Sensor (Kompaktkameras, Smartphones). Generell erhältst du bei einem niedrigeren ISO-Bereich klarere Bilder und bei einem hohen ISO-Bereich zunehmend rauschigere Bilder. Hier entscheidest du wieder selbst, was dir bei deinem Bild wichtig ist. Manchmal kann das Rauschen sogar bewusst als Stil mit aufgenommen werden. Und im Zweifel gilt: Ein etwas rauschiges Bild ist immer noch besser als gar kein Bild…
Übersicht: Was beeinflusst dein Bild wie?
Hier nochmals kurz zusammengefasst, was die einzelnen Einstellungen für dein Bild und die Belichtung bewirken:
Blende: Je größer (offener) die Blende, desto heller wird das Bild und desto geringer ist die Schärfentiefe.
Belichtungzeit: Je länger du belichtest, desto heller wird das Bild.
ISO: Je höher der ISO wert, desto heller wird das Bild.
Und jetzt üben, üben, üben…
Wenn du bisher immer mit der Vollautomatik geknipst hast, musst du jetzt erst einmal eine Menge Informationen verarbeiten. Das funktioniert besonders gut, wenn du alle Einstellungen ausprobierst und Bilder machst. Vergleiche die Effekte und merke dir, welche Einstellung in welcher Situation für dich die besten Ergebnisse bringt. Wenn du das Handwerkszeug dann verinnerlicht hast, wirst du feststellen, dass du deutlich bessere und auch ungewöhnlichere Bilder machst – aus Knipsen wird dann bewusste Fotografie.
Viel Spaß! 🙂
Hinweise und Vorschläge:
Wir freuen uns auf dein Feedback! Hast du Anmerkungen zu einem der Begriffe oder fehlt dir noch ein wichtiger Punkt? Schreibe uns gerne ein Kommentar oder eine Nachricht.
f ist das Symbol für die Brennweite, nicht das Synonym für Blende. Der Rest ist dann völlig richtig, aber eben nur wenn gilt:
Blendendurchmesser = Brennweite/Blendenzahl.
Ein Hinweis auf die Beugungsunschärfe wäre noch sinnvoll. Ich habe lange Zeit gedacht, die Schärfe durch eine immer kleinere Blende steigern zu können. Dem ist nicht so. Durch die Beugung nimmt die Schärfe mit kleinerer Blendenöffnung ab.
Danke für den Hinweis! Die Bezeichnung haben wir im Beitrag korrigiert. 🙂
Hallo liebes Lens-Aid Team,
Ich habe eure beiden kleinen Spickbücher und bin begeistert. Eure Erklärungen sind super, eventuell könnt ihr ja die wichtigsten Einstellungen als kleine Kärtchen (wasserfest z.B. wie Chipkarten) rausbringen, da ich finde das dass ab und zu praktischer ist.
Mit freundlichen Grüßen
Marco
Hallo Marco, danke für dein tolles Feedback! Das mit den kleinen Kärtchen ist eine tolle Idee. Ich gebs mal weiter. 🙂
Das ist endlich mal eine glasklare Erklärungen wie Blende, Einstellungszeit und Kamera praktisch und verständlich funktionieren.
Es ist gar nicht so einfach zu erklären wie man denkt (kennen wir alle von der Schule wo nur die Streber gelangweilt nickten während der Rest mit großen Augen staunten was da an der Tafel steht und gesagt wird).
Vor allem die Funktionsweise der Blende mit der Bruchrechnung als Beispiel aus der Schulzeit find ich extrem gut und werde, wenn du erlaubst zukünftig versuchen dir nachzuahmen:)
Super Seite. und Gruß aus Hamburg,
Nic Hammaburg (selbst Blogger, der mit den Themen Reise und Freizeit glänzt)
Hallo Nic, danke für deinen netten Kommentar. Freut uns, dass wir dir mit unserem Beitrag zu Blende, Belichtungszeit und Co. behilflich sein konnten!