Die blaue Stunde gilt rein physikalisch als Phänomen – und unter Fotografen als verdammt interessante Zeit. Weil diese Stunde vor allem eines verspricht: einen tiefblauen Himmel. Das Fotografieren zu jener Stunde ist allerdings nicht einfach.
Zuerst einmal: Die blaue Stunde ist die „Stunde“ vor Sonnenaufgang bzw. nach Sonnenuntergang. Wie bei der goldenen Stunde darfst du das Wort „Stunde“ aber nicht allzu wörtlich nehmen. Denn je nach Jahreszeit und Breitengrad fällt die Dauer der „blue hour“ ganz unterschiedlich aus. Im Winter zum Beispiel misst die „Stunde“ gerade mal 15 Minuten. Selbst in Sommer dauert die „Stunde“ – zumindest in unseren Breitengraden – maximal 50 Minuten.
Was macht die blaue Stunde so besonders?
Dennoch: Diese kurze Zeit sorgt für einen Himmel in einem herrlich dunklen Königsblau. Warum das so ist? Weil das Tageslicht gerade erst „erwacht“ (morgens) bzw. am Schwinden (abends) ist. So kommt es zur sogenannten Rayleigh-Streuung.
Physiker verstehen hierunter eine ganz bestimmte Streuung elektromagnetischer Wellen, die das Sonnenlicht streuen. Das Ergebnis ist ein Himmel in Tief- bis Dunkelblau. Ohne allzu sehr in die Physik abzutauchen, ist um diese Tageszeit nur wenig Restlicht vorhanden, was eben dieses tiefe Blau verspricht.
Für uns Fotografen ist dieses Tiefblau eine super Gelegenheit. Weil die blaue Stunde für den Komplementärkontrast sorgt. Ja, schon wieder Physik. Dieser Kontrast ist jedenfalls das Ergebnis, wenn zwei komplementäre (ergänzende) Farben nebeneinander bzw. im Farbkreis gegenüber liegen. Zur blauen Stunde sind das Blau und Orange. Diese zwei Farben sorgen zur „blue hour“ für diese hammergeile Stimmung.
Wobei die blaue Stunde ganz unterschiedlich ausfallen kann. Je nachdem wie intensiv die Farben sind, erscheinen diese entweder herrlich ausgewogen oder aber grell. Dank des Restlichtes ist die Umgebung aber noch gut zu erkennen.
Kamera-Einstellungen zur blauen Stunde
Das wenige Licht macht das Fotografieren allerdings anspruchsvoll. Wie du deine Kamera einstellen solltest? So…
1. ISO richtig setzen
Zuerst einmal musst du den ISO richtig setzen. Heißt in dem Fall: möglichst niedrig. Weil du sonst recht schnell unschönes Bildrauschen hast.
2. Ein Stativ verwenden
Ein Stativ ist daher ein Muss. Oder zumindest eine feste Ablage. Zur Not macht es ein Pfeiler, eine Mauer oder dergleichen. Freihand geht zu dieser Zeit jedenfalls nicht.
3. Mach’ den Bildstabilisator aus
Wichtig: Deaktiviere den Bildstabilisator. Sonst sorgt die Technik für Verwacklungen.
4. Aktiviere die Spiegelvorauslösung
Knipst du mit einer Spiegelreflex, aktiviere außerdem die Spiegelvorauslösung. So sorgt der Spiegel nicht für Schwingungen, was wieder Verwackler und damit Unschärfe heißt.
5. Fern- oder Selbstauslöser
Ein Fernauslöser ist ebenfalls eine gute Idee. Alternativ geht der Selbstauslöser.
6. Nutze den Bulb-Modus
Die Belichtung ist das Stichwort: Die Belichtungszeit muss den niedrigen ISO ausgleichen. Also muss diese lang sein. Richtig lang. Hier lohnt der Bulb-Modus, der quasi alles über 30 Sekunden meint. So bekommst du auch geile Effekte wie „Lichtspuren“ hin. Kleines Aber: Ein Fernauslöser ist jetzt ein Muss.
7. Öffne die Blende
Um so viel Licht wie möglich „einzufangen“, brauchst du zudem eine weit offene Blende. Das mindert zwar die Tiefenschärfe, dafür kannst du den unscharfen Vorder- oder Hintergrund aber als Effekt nutzen. Willst du wiederum Laternen oder andere Lichtquellen als „Stern“ erstrahlen lassen, musst du die Blende schließen.
8. Fotografiere in RAW
Fotografiere daher im RAW-Format. So hast du später bei der Bildbearbeitung viel mehr Möglichkeiten. Zum Beispiel beim Weißabgleich. Das JPG-Format ist hier extrem begrenzt.
9. Fokussiere manuell
Auch der Autofokus ist bei wenig Licht keine Option. Entsprechend solltest du manuell fokussieren.
10. Setze auf Live View
Hier hilft dir übrigens der Live View-Modus. Zumal du dein Motiv so viel besser sehen kannst als im optischen Sucher.
11. Nutze das Histogramm
Der Live View hat zudem den Vorteil, dass du direkt das Histogramm sehen kannst. So siehst du sofort, ob die Belichtung passt oder du nachbessern musst. Kleiner Extra-Tipp: Aufhellen geht immer, Abdunkeln ist dagegen immer schwerer.
Nützliche Apps zur Zeitbestimmung der Blauen Stunde
Clever ist übrigens die Mitnahme eines Ersatzakkus. Natürlich sollte der Akku voll sein. Überhaupt ist eine gute Vorbereitung die halbe Miete bzw. eben das halbe Foto.
Erkunde die Gegend daher schon am Tag. So findest du die besten Stellen, statt diese in der kurzen Zeit suchen zu müssen, die du zum Fotografieren hast. Denk’ daran: Die blaue Stunde ist sehr kurz. Hilfreich zur Bestimmung der rechten Zeit sind übrigens ein paar Apps. Zum Beispiel:
- PhotoTime (Android)
- Golden Hour (Android)
- BlauTime (Android)
- Blaue Stunden (iOS)
Alle Apps sind in der Basisversion kostenlos und verraten dir die jeweils beste Zeit zum Fotografieren in der blauen Stunde. Manche wie PhotoTime oder Golden Hour nennen dir obendrein Sonnenauf- und -untergang sowie die goldene Stunde.
Zuletzt noch ein Extra-Tipp für richtig geile Bilder: Tolle Motive findest du in Städten bzw. deren Skylines samt den Lichtquellen. Sowie natürlich in weiten Landschaften. Kannst du hier ebenfalls eine Lichtquelle einbeziehen, sind dir fantastische Bilder gewiss.
Viel Spaß beim Fotografieren und ausprobieren. Und denk’ dran: Erst Übung macht den Meister…